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For Sale

by The Grexits

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1.
I Sinehia 03:00
2.
To Telos 02:04
3.
Blade Runner 02:08
4.
5.
Noumero Enna 02:27
6.
Metriotites 04:53
7.
8.
Sutina 01:20
9.
10.
11.
12.
13.

about

SCHON WIEDER AUF DEM HIGHWAY TO HELLAS!
Von Christos Davidopoulos & Franz Dobler

Zwei Jahre nach dem Debutalbum The Grexits sitzen wir also wieder im Büro von Optimal Schallplatten in der Kollosseumstraße und betrachten die Landkarte vor uns. Auf ihr kleben viele gelbe Quadrate mit geheimnisvollen Notizen wie Lesbos! oder Sun Ra? und wir fragen uns beim Studium der Karte: Gibt es inzwischen neue Baustellen und Straßensperren auf dem Highway to Hell via Hellas und wo sind die Grexits jetzt?

Wir hören das neue Album For Sale, das abermals eine Co-Produktion der Münchner Labels Echokammer und Gutfeeling ist, und landen doch zuerst bei politischen Aspekten. Nicht nur, weil wir der altmodischen These anhängen, dass jede Musik von ihren gesellschaftlichen Bedingungen erzählt, sondern auch, weil The Grexits schließlich vor einigen Jahren bei einer Benefizveranstaltung für griechische Flüchtlingsinitiativen unter der Headline Highway to Hellas gegründet wurden, als Singer-Songwriter Nikos Papadopoulos dort mit seiner anderen Band Ta Mourmourakia auftrat. Was hat sich denn in der Zeit geändert? Im Gegensatz zum Dauerthema Brexit hat sich die Grexit-Diskussion verflüchtigt. Die Situation der Geflüchteten, die auf der Insel Lesbos landen und an diesem Nadelöhr nach Mitteleuropa auf eine bessere Zukunft hoffen, hat sich in diesen Tagen wieder mal verschärft. Und man muss sagen, dass die 300 Milliarden, die die Deutschen den Griechen immer noch als Ausgleich für Kriegsverbrechen schulden, bei dieser und anderen Katastrophen eine Hilfe wären. Auf diesen Reparationszahlungen besteht übrigens auch die neue rechte Regierung, die die mehr als enttäuschende linke inzwischen abgelöst hat.

Und hier auf der Karte klebt ein gelber Zettel auf Athen: Denn die Grexits haben, very special, in Athen gespielt. Aber ausgerechnet dort hatte der Veranstalter die Plakate ganz vergessen und auch sonst nicht getrommelt. Ob er zu denen gehört, die eine zweite Chance verdient haben, wissen wir nicht – und wir haben auch keine Antwort auf die Frage, ob der neue griechische Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis Promotion für For Sale machen wollte, als er am 28.9.2019 in der Süddeutschen Zeitung verkündete: „Wir verkaufen alles!“ Wer genug Kröten hat, kann sich jetzt ein paar Straßen oder den Athener Flughafen kaufen.

Europa today: Die Rechten und die Turbokapitalisten ballern sich weiter voran. Wer da nicht mitspielen kann oder will, könnte ja an die nächste Straßenkreuzung gehen, um dem Teufel seine Seele zu verkaufen, wie es in den Blueslegenden heißt. Aber The Grexits machen keinen Blues – und doch steckt eine Menge Blues drin und natürlich der Soul des alten griechischen Blues alias Rembetiko, der vor über hundert Jahren entstanden ist, der vor allem in den Hafenstädten populäre Soundtrack der kleinen Gauner*innen und Habenichtse, der Drogisten und Abgehängten.

„Die einzige Parallele zur Rembetiko-Musik, die ich mir denken kann, ist der städtische Blues von New Orleans, Chicago und Harlem. Dort gibt es das gleiche Gefühl, außerhalb der Gesellschaft zu stehen, die gleiche Geheimsprache“, und die Hauptthemen sind sich „erstaunlich ähnlich: Haschisch, Gefängnis, Polizei und Sex“, schreibt Musikethnologin Gail Holst. Man muss diese Spuren auf For Sale nicht erkennen, um den kalten Wind zu spüren, der durch die europäischen Großstädte zieht – eine Stimmung, die Andreas „G.Rag“ Staebler von Gutfeeling Records in zwei Videos zum ersten Album großartig eingefangen hat (siehe Youtube).

Und The Grexits machen keinen auf Neo-Folkband. Obwohl sie auch auf ihrem zweiten Album vorführen, dass sie das könnten, und obwohl sie es auf die Folkpop-Tour vermutlich leichter hätten. Eine Post-Rock-Band mit einem griechischen Sänger und einem Hang zu unvermuteten Ausreißern hat´s eben nicht so ganz leicht im durchaus an Folklore/Balkanmucke-interessierten Deutschland, behaupten wir mal (ehe wir gleich in die griechische Kneipe verschwinden, in der Davidopoulos schon vor seiner Zeit als Plattendealer gearbeitet hat, in der allerdings, das ist eher selten, Fotos von Anarchisten und Kommunisten hängen).

„Es ist schon schwierig, ein passendes Rembetiko-Stück zu finden, denn es soll ja nicht beliebig werden“, sagt Nikos Papadopoulos. „Man könnte einfach irgendwas nehmen und umbauen, aber das wird dann leicht klischeehaft.“ Deswegen sucht er nicht nach einem Rezept für Adaptionen, sondern immer nach dem persönlichen Ansatz, für ihn und die ganze Band. Und deswegen hat es keine besondere Bedeutung, dass das neue Album mit nur einem Rembetiko-Klassiker auskommt und andere Vorlieben und Einflüsse mehr Raum haben. Es hat sich eben so ergeben, wie auch die Grexiteers Albert Pöschl, Josip Pavlov und Simon Dieu diesmal eben stärker mitgemischt haben.

Der Eindruck, es könnte sich um eine Neo-Rembetiko-Band handeln, soll nicht mal angedeutet werden, und dazu passend werden die harschen Brüche zwischen einem zarten und einem Surf-Instrumental, zwischen einem geradezu astrein traditionell gespielten Jiorgos Katsaros-Klassiker und Punkrock und sogar Krautrock-Assoziationen nicht geglättet, sondern klar ausgestellt.

Insofern darf man es als Statement verstehen, wenn sie „This Is Rock And Roll“ covern und relativ nah am Original einer zumindest hier in der Kollosseumstraße völlig unbekannten Punkband (die, steht auf unserem gelben Zettel über Belgien, auf ihrem Debutalbum von 1978 auch einen Song „Do You Love The Nazis“ hatten).

Großen Einfluss scheint die Rembetiko-Tradition allerdings auf die Texte von Papadopoulos zu haben. Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei den alten Rembetiko-Songs vor allem um Klagelieder, seien es gesellschaftliche, amouröse oder alltägliche Klagen. „No fun“ also, wie schon Iggy Pop gesagt hat. Dementsprechend schreibt Papadopoulos keine nette Poesie. Nur einige Beispiele: „Mit einem Fetzen Stoff voller Blut hast du mich schon wieder eingewickelt ... Aber jetzt werde ich dich damit einwickeln, weil es so nicht weitergeht“, heißt es in „Η ΣΥΝΕΧΕΙΑ / I SINEHIA / Die Fortsetzung“. „Ich gehe weg aus deinem Leben, dann kannst du mich nicht mehr verletzen. Wieso kommst du jetzt und jammerst mir was vor? Du kümmerst mich nicht mehr“, sagt eine Frau in „ ΤΟ ΤΕΛΟΣ / TO TELOS / Das Ende“. Oder ein Vers aus „DAS VERBOTENE / ΝΤΑΣ ΦΕΡΜΠΟΤΕΝΕ“: „Dein Blick schlitzt mir die Brust auf, Rosalie, du hast mich dazu gebracht, die Welt mit anderen Augen zu sehen, doch ich rufe deinen Namen und du drehst mir den Rücken zu.“

Wenn wir uns jetzt daran erinnern, dass alte Bluessongs oft als Code zu verstehen waren – wenn zum Beispiel eine Frau abgehauen war und beschimpft wurde, also eigentlich ein fieser Landlord beschimpft wurde, den man jedoch nicht offen beschimpfen konnte – , dann könnte man auch auf die Idee kommen, dass es in Papadopoulos´ dysfunktionalen Lovesongs vielleicht noch um etwas mehr geht. Vielleicht um die Straßensperren auf dem Highway to Hell via Hellas, vielleicht um weltliche Zustände, mit denen man nicht klarkommt … Fragen, die man nicht einem Sänger stellt, sondern sich selbst.

Und vielleicht nicht nur uns überraschend, wie der 1965 lässig daherkommende Kinks-Song „Tired Of Waiting For You“ in der Grexits-Version ebenfalls zu einem Klagelied und dabei musikalisch sozusagen auf einen anderen Planeten verschoben wird. Eine Parallele übrigens zum ersten Album, auf dem sie „A Hard Day´s Night“ brachial, wie ein Arbeiterkampflied interpretierten; „die beste Coverversion des Beatles-Klassikers seit Peter Sellers“, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Natürlich steht auf dem Zettel, den wir auf unserer Landkarte auf England geklebt haben: For Sale Beatles 64 / Lennon grüßte die Deutschen im Starclub oft mit Hitlergruß / Brexit = evtl auch alte Rechnungen???

Noch eine Parallele zum ersten Album: Auf dem spielen sie „M´ Enan Kafetzi Blegmeni“ von Jiorgos Katsaros, und diesmal seinen Rembetiko-Klassiker „ΧΤΕΣ ΤΟ ΒΡΑΔΥ ΣΤΟΥ ΚΑΡΙΠΗ / HTES TO VRADY STOU KARIPI / Gestern Abend bei Karipis“. Der Song gehört zu den frühen Rembetika, die Murmurika genannt werden, was von murmuriso/murmeln kommt (und im Namen von Papadopoulos´ Band Ta Mourmourakia steckt). Katsaros erzählt darin von einem berüchtigten „Tekes“ in Piräus, vom Tempel in Karipis, in dem die sogenannte Haschischmesse zelebriert wurde, und von einem Abend, an dem mit gezinkten Würfeln gespielt wurde und die Gauner damit durchkamen. Jiorgos Katsaros (1888-1997) ist „ein Mythos der Rembetiko-Musik in den USA“ (schrieb Davidopoulos in den Liner Notes zu seiner Compilation Rembetika, die den Song in einer Aufnahme von 1935 enthält), er wurde in New York oder Boston gefeiert, hatte Hauptrollen in Hollywood, war mit Chaplin, Bogart und Jean Harlow befreundet. Er war der internationale Botschafter einer Musik, die aus der Unterschicht kam und die in ihrem Herkunftsland, als die Deutschen einrückten, verschwinden musste: „Es ist wohl keine Erklärung nötig, warum der Faschismus eine Art natürlicher Feind von Rembetiko und den Rembetes war“ (Davidopoulos).

Eine gute Fallhöhe, um wieder bei uns allen zu landen, in der, wie man damals sagte, Hauptstadt der Bewegung, die heute die teuerste Stadt in Deutschland ist. Was zu einer Solidarität herausfordert, die in München schon länger gut funktioniert, zwischen Independent Labels, Bands und Musiker*innen. Hinter der Echokammer-Gutfeeling-Verbindung und den Grexits Albert „Echokammer“ Pöschl, Josip Pavlov und Simon Dieu baut sich ein Arsenal von Bands und Werken auf: Das Weiße Pferd, 4Shades, Ippio Payo, Zwinkelmann, Suzie Trio, H, Queen of Japan, Blacken the Black, um nur einige zu nennen; und die Gäste Wolfgang Schlick, Matthias Götz, Rochus Boulanger und Tom Wu bringen die Express Brass Band, die Hochzeitskapelle, The Hidden Cameras, Kamerakino, Alien Ensemble, Le Millipede u.v.a. ins Spiel – ja, wir finden, dass das nicht so ganz normal ist und ein gutes und notwendiges Zeichen in Europa today.

Bleibt noch unser Zettel mit der Sun Ra?-Notiz. What the hell ist damit? Track 12 „ΚΑΤΙ ΝΑ ΣΟΥ ΠΩ / KATI NA SOU PO / Ich wollte dir was sagen“ hat uns doch, geprägt von den Gästen, irgendwie an Sun Ra denken lassen, und dass sein Spaceship, das mit der Vorstellung verbunden war, Menschen in eine bessere Galaxie rauszuholen, zur Zeit über Griechenland schwebt. Hinzugefügt, dass Sun Ra einst in der Band des Rhythm´n´Blues-Rock´n´Roll-Sängers Wynonie Harris losgeflogen ist, könnten wir den Kreis mit „This Is Rock And Roll“ schließen. So far mit For Sale: Check it out!

Christos Davidopoulos ist DJ, Geschäftsführer von Optimal Records und seines Labels Plattendruck und hat für Trikont u.a. das Album „Rembetika – Songs of the Greek Underground“ compiliert. Franz Dobler ist DJ, Autor und manchmal Gast bei Das Hobos, mit denen er eine Seite der „Remembering Nico“-Single auf Gutfeeling eingespielt hat.

credits

released January 1, 2020

Nikos Papadopoulos – Vocals, Guitar, Harp & Piano on A1
Albert Pöschl – Guitar, Mellotron on A6/A7/B1/B2/B5, Vocals on B4
Simon Dieu – Bass
Josip Pavlov – Drums, Guitar on A5/A7/B1/B5

Special guests:
Wolfi Schlick – Sax (A5/B5)
Matthias Götz – Trombone (B5)
Rochus Boulanger – Trumpet (B5)
Tom Wu – Congas (B5)

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